Warum ich nicht mehr ins Fitnessstudio gehe

Warum ich nicht mehr ins Fitnessstudio gehe

Kürzlich habe ich mich für ein Selbstexperiment im Fitnessstudio angemeldet. Ich weiß schon lange, dass Fitnessstudios nicht zu den Orten gehören, an denen ich mich wohl fühle. Die Kampagnenmotive, mit denen diese Tempel der Selbstoptimierung für sich werben, sind mir zuwider. Nein, ich möchte mit dem Training keinen Beachbody erreichen – den habe ich bereits. Denn jeder Mensch hat einen Beachbody. Es gibt nichts zu tun und nichts zu erreichen. Einfach zum Strand gehen, hinlegen oder ins Wasser gehen. Fertig. Und weil ich die Werte, für die Fitnessstudios stehen, nicht teile, sollte ich auch kein Teil eines Fitnessstudios sein. 

Es hat auch ganz pragmatische Gründe. Ich fühle mich dort einfach nicht wohl. Die Luft ist stickig. Manchmal passen die Öffnungszeiten nicht zu meinem Lebensstil – oder die Lage der Studios. Ich muss immer irgendwohin fahren, um Sport zu machen. Wenn ich mein Sportzeug vergessen habe, kann ich auch das Training vergessen. Wie oft ist es daran bereits gescheitert – auch wenn die Motivation hoch war. Irgendwie erschließt sich mir der Sinn eines Fitnessstudios nicht. 

Aber dieses Mal sollte alles anders werden mit mir und dem Fitnessstudio. Dieses Mal hatte ich einen Plan.
In meinem Selbstexperiment wollte ich herausfinden, ob die Höhe der Motivation und ein festes, positives Ziel tatsächlich einen Unterschied machen. Ich wollte herausfinden, ob diese Bedingungen dazu führen, dass sogar jemand wie ich, der sich in Fitnessstudios nicht wohl fühlt, regelmäßig ins Fitnessstudio geht. So war jedenfalls meine Hypothese. Oft genug habe ich in meinem Leben erfahren, dass die Vorstellung von etwas besser war, als die tatsächliche Erfahrung. Auch wenn ich einen Teil vom Ergebnis meines Selbstexperimentes vorwegnehme: So war es auch dieses Mal.

Der Versuchsaufbau
Kommen wir zunächst zum Ziel. Warum wollte ich jetzt unbedingt trainieren? Ich möchte im Sommer durch die Alpen wandern und brauche dafür Muskeln und Kondition. Wie es ausgehen kann, wenn man untrainiert eine Wandertour von Hütte zu Hütte quer durch das Gebirge macht, habe ich im Sommer 2016 erfahren. Damals war es ein ziemlich kleiner Muskel, der mir noch ziemlich lange nach der Wanderung zu schaffen machte. Und er war es auch, der dafür sorgte, dass ich die Wanderung abbrechen musste. Die ganze Geschichte kannst du hier lesen. In meinem Selbstexperiment gab es also ein klares Ziel. Ich wusste genau, was ich erreichen wollte. Und positiv war es auch, denn ich liebe es zu wandern. Wenn es dabei auch noch durch die Berge geht, ist das ein wahrer Hochgenuss für mich.

Auch soziale Unterstützung durch Vorbilder wirkt grundsätzlich unterstützend, wenn man ein Ziel erreichen möchte. In diesem Fall hatte ich ein Vorbild, denn eine Freundin hat im Frühjahr 2018 den Mount Everest bestiegen. Für dieses Vorhaben hat sie drei Monate hart im Fitnessstudio trainiert. Die Fotos, die ihre körperliche Veränderung dokumentieren, haben mich beeindruckt. Die mentale Veränderung, die durch das Training entstand, habe ich gespürt. Die innere Stärke und Willenskraft, die sie bereits beim Training entwickelte, brauchte sie auch auf dem Weg nach oben, denn der war hart. Aber irgendwann kam ihr Tag und sie hat es bis zum Gipfel geschafft. Für mich ist sie ein Vorbild. Bei dieser Wanderung wollte ich es besser machen und für die Tour im Fitnessstudio trainieren. 

Aber es kam natürlich ganz anders. Ich bin nicht so oft ins Fitnessstudio gegangen, wie ich es mir vorgenommen habe. Doch woran liegt das, wenn doch die Voraussetzungen eigentlich so günstig waren?
Mir ist im Prozess immer deutlicher geworden, dass Fitnessstudios für mich wirklich nicht geeignet sind. Selbst dann, wenn ich das beste Ziel habe und die stärkste innere Motivation, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass mich das Training an den Geräten oder mit den Gewichten langweilt. Allein der Weg zum Studio war oft bereits ein Hindernis. Mal war es zu warm, mal zu kalt, mal zu früh, mal zu spät. Gedanken wie „Lohnt sich das jetzt noch?“ und „Ach, ich gehe einfach morgen.“ begleiteten mich oft. „Das ist mangelnde Disziplin!“ hörte ich gelegentlich meinen inneren Kritiker sagen. Ich bewerte es anders. Für mich ist es ein Zeichen von Selbstfürsorge, dass ich mich in Rahmenbedingungen aufhalte, die mir gut tun. Ich bin nicht besonders gut darin, mich zu etwas zu zwingen, was mir weder kurzfristig noch langfristig gut tut. Zugegeben, das Gefühl, das ich nach dem Training hatte, war wundervoll. Ich genoss es, wie ich jede Faser meines Körpers spürte. Ich bemerkte die ersten Veränderungen an meinem Körper. Das Gefühl, dass ich in der Beinpresse oder beim Bankdrücken hatte, werde ich vermissen. 

Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, was genau die Umstände waren, die den Weg zum Fitnessstudio verhinderten – und was ich aus dem Nicht-Hingehen gelernt habe. „Nichts! Außer der Beweis deiner mangelhaften Disziplin!“ würde mein innerer Kritiker insistieren, wenn ich ihm in dieser Angelegenheit nicht schon lange den Mund verboten hätte. Ich habe sehr viel über mich gelernt, weil ich eben gerade nicht ins Fitnessstudio gegangen bin. Mir ist klar geworden, wie absurd es eigentlich ist, wenn ich erst einen externen Ort aufsuche, um meinen Körper zu bewegen. Wozu all der Aufwand, wenn ich all das auch direkt zuhause oder vor der Tür haben kann? Ich ziehe meine Laufsachen an und laufe los. Oder ich nehme ein paar Gewichte und mache Kräftigungsübungen. Oder ich mache Übungen, die das Gewicht meines Körpers nutzen. Seitdem ich wieder einmal im Fitnessstudio angemeldet war und es nicht genutzt habe, ist mein Alltag bewegungsreicher geworden. Es klingt absurd, aber aus der „fehlenden Disziplin“, die mir mein innerer Kritiker so manches Mal bescheinigt hat, ist so ein nachhaltiger Lebensstil geworden, der mich gesund und glücklich macht. 

Berlin, 1. Juli 2019